Grünen-Chef Nouripour hat die umstrittene Gasabgabe verteidigt – und aus den Reihen der Ampeln deutliche Worte für Kritik gefunden. Im ARD-Sommerinterview nannte er die Debatte um eine Renaissance der Atomkraft “Cocolores”.

Waffenlieferungen an die Ukraine, Betriebsausweitung für Atomkraftwerke und reaktivierte Kohlekraftwerke – die Grünen mussten in den vergangenen Monaten einiges schlucken. In jüngerer Zeit wurde die Partei vor allem wegen der umstrittenen Erdgasumlage kritisiert.

Im Mittelpunkt steht Bundesfinanzminister Robert Habeck. Schuld an Fehlern bei der Benzinabgabe – unter anderem aus den Reihen der Ampelkoalition. Die Kritik: Das zusätzliche Geld aus der Abgabe geht auch an unrentable Unternehmen.

Grünen-Chef Omid Nouripour verteidigte die Pläne, die unter Kriegsdruck beschlossen werden mussten. „Wir befinden uns hier in einem Wettlauf gegen die Zeit, weil wir sehr schnell an der Gasthematik arbeiten müssen, um ordentlich versorgt zu werden“, sagte Nuripour im ARD-Hauptstadtstudio-Sommerinterview. Genau darum kümmert sich Habeck Tag und Nacht.

ARD-Sommerinterview mit Grünen-Chef Omid Nuripour

28.08.2022 20:34 Uhr

Nuripur: Die Kritik der Ampeln ist nicht nachvollziehbar

Allerdings sieht Nuripur auch beim Aufschlag Korrekturbedarf. „Dass Verbesserungen nötig sind, stimmt, Robert Habeck weiß das und arbeitet daran.“ Allerdings sind solche Änderungen rechtlich sehr kompliziert. Trotz der notwendigen Verbesserungen will Nouripour grundsätzlich an der Gasabgabe festhalten.

Die Kritik, die jetzt von der Ampel kommt, kann er nicht nachvollziehen. Schließlich wurde die Benzinabgabe von allen Parteien an der Ampel beschlossen. Es ist überraschend, dass es jetzt von denjenigen kritisiert wird, die die Entscheidung unterstützt haben. „Ich hatte jedes Recht, einige der Aussagen von Leuten in Frage zu stellen, die vielleicht den Gesetzentwurf hätten lesen sollen, bevor sie zustimmten, und die jetzt sagen, sie hätten nichts davon gewusst“, sagt Nuripour.

Während die Diskussionen gültig und wichtig sind, sollte das Hauptaugenmerk auf den Grundlagen liegen. „Die Leute wollen, dass wir uns ergeben und nicht gegeneinander kämpfen“, sagte Nuripour.

Steuerüberschreitung geltend machen

Der Gaszuschlag soll die stark gestiegenen Kosten für Großimporteure aufgrund fehlender russischer Gaslieferungen ausgleichen, um sie vor dem Bankrott und das Energiesystem vor dem Kollaps zu bewahren. Alle Erdgaskunden müssen 2,4 Cent pro Kilowattstunde zusätzlich zahlen.

“Außerdem brauchen wir natürlich auch eine überhöhte Gewinnsteuer auf die Unternehmen, die wirklich reich werden, weil Menschen in Not sind und es eine Krise gibt”, sagt Nuripour. Eine solche Sondersteuer würde dann für Unternehmen gelten, die vom Krieg in der Ukraine besonders profitiert haben.

Nouripour: Es besteht wahrscheinlich keine Notwendigkeit, ein Atomkraftwerk zu erweitern

Nouripour will sich für AKW noch nicht auf eine Streckoperation festlegen. Zunächst müsse das Ergebnis des Stresstests abgewartet werden, das der Grünen-Politiker in den nächsten Tagen erwartet. „Dann werden wir sehen, ob es notwendig ist, einzelne Atomkraftwerke abzubrennen – weil es vor allem in Bayern ein Problem gibt – oder nicht. Ich sehe das nicht.“

Alle darüber hinausgehenden Diskussionen, wie z. B. Erweiterungen des Begriffs, seien „fake“. Es sei ein „Märchen“, dass es jetzt eine Renaissance der Atomkraft geben würde. „Wenn Markus Söder, der selbst einmal Umweltminister war, jetzt in die andere Richtung dreht, dann streut er den Leuten Sand in die Augen“, sagte Nouripour. Bayerns Ministerpräsident Söder forderte kürzlich, die letzten drei aktiven deutschen Atomkraftwerke bis 2024 weiter zu betreiben.

Ein sogenannter Stretch-Modus bedeutet die kontinuierliche Nutzung von Kernkraftwerken mit den derzeitigen Brennstäben. Im Streckmodus wird die Temperatur des Reaktorkühlwassers reduziert und dadurch die Kettenreaktion verlangsamt. Dadurch kann der Reaktor länger laufen – ohne neue Brennstäbe kaufen zu müssen.

Für ein 9-Euro-Ticket ist die Anwesenheit erforderlich

Zudem machte sich der Grünen-Politiker für das dritte Hilfspaket stark, über das in den kommenden Tagen entschieden werden soll. „Es gibt eine Reihe von Vorschlägen, die auf dem Tisch liegen“, sagte Nuripour. Darüber werden Sie mit den anderen Parteien diskutieren, wie zum Beispiel Wohngeldreform, Bürgergeld oder noch höheres Kindergeld.

Nuripour spricht sich insbesondere für eine Neuregelung des 9-Euro-Tickets aus. Dies sei ein „großer Erfolg“. Dies solle auch mit der FDP besprochen werden. FDP-Chef Christian Lindner war bislang gegen eine Verlängerung des 9-Euro-Tickets.

Mehr schwere Waffen für die Ukraine

Auch im Vorfeld des Klimaschutz-Sofortprogramms, das im September beschlossen werden soll, hat Nuripour den Laternenpartner FDP um Zugeständnisse gebeten. Liberale sollten also einem Tempolimit zustimmen. Weil es unverständlich ist, weil es das noch nicht gibt.

Auf die Frage, ob Deutschland der Ukraine genügend schwere Waffen liefere, verneinte Nuripour. “Es ist mehr und jeder weiß es und wir arbeiten daran.” Funktioniert es nicht mit einem Ringtauscher, muss dieser ggf. auch aus den Beständen der Bundeswehr versorgt werden.

Auswahlverfahren für Kanzlerkandidaten

Der Grünen-Chef äußerte sich auch zu einem künftigen Verfahren zur Suche eines Kanzlerkandidaten. Hier hat sich die Parteiführung auf eine Vorgehensweise geeinigt.

Auf die Frage, ob eine Frau immer den ersten Zugang haben sollte, sagte sie…