Robert Habeck (52, Grüne) hält sich für einen Gutmenschen. Er ist ziemlich allein in der Laternenallianz. Als Finanzminister hat er hastig einen Gaszuschlag geschaffen. Ab Oktober zahlt jeder Erdgaskunde 2,4 Cent pro Kilowattstunde extra. Die so eingenommenen Milliarden werden unter den Erdgasimporteuren aufgeteilt. Bisher haben sie berichtet, dass sie fast 34 Milliarden Euro brauchen, weil sie kaum noch billiges russisches Gas bekommen, sondern es teuer auf dem Weltmarkt kaufen müssen. Habeck verkaufte die Abgabe als klugen Rettungsanker: Sonst würden Gaskäufer bankrott gehen und die Gasversorgung des Landes könnte zusammenbrechen. Blöd nur: Die Umlage ist nicht auf bedürftige Energieunternehmen beschränkt, auch gewinnstarke Unternehmen nutzen das Geld. Jetzt steckt der Minister, der das gelegentliche Erscheinen zu schätzen weiß, in großen Schwierigkeiten. Koalitionspartner FDP fordert Verbesserungen. Grünen-Freund Anton Hofreiter (52) findet, Habeck sollte ganz auf die Abgabe verzichten. Und die Kanzlerpartei ist richtig sauer! Der SPD-Abgeordnete Dirk Wiese (39) schreibt in BILD am SONNTAG: „Habecks Prinzip funktioniert so: filmreife Auftritte, technische Umsetzung fragwürdig und am Ende zahlt der Bürger dafür.“ SPD-Chef Lars Klingbeil (44) wirft Wahlfavorit Hambeck „technische Fehler“ vor: „Schließlich zählen in der Politik nicht nur schöne Worte, vor allem die Substanz muss stimmen.“
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Rams, alle schlagen auf Habeck ein. Zunächst versuchte er, das Gasproblem herunterzuspielen. Es wurde verbreitet, dass nur ein kleiner Teil, etwa acht Prozent der Abgabe, an wohlhabende Konzerne gehen würde. Allerdings geht es bereits in die Milliarden. Um im Hagel der Kritik eine Verschnaufpause einzulegen, kündigte Habeck am Freitag an, noch einmal zu prüfen, ob es einen rechtssicheren Weg gebe, die „Trittbrettfahrer“ noch einmal auszusondern. Das ließ einige Regierungsmitglieder mit den Augen rollen. Das Problem wurde bereits als ungelöst identifiziert. Habeck entschied wissentlich über diese Rechtslücke. Und so ist fraglich, ob die Regierung die gesetzliche Grundlage für die Gasabgabe tatsächlich noch vor dem 1. Oktober ändern kann. Die öffentliche Meinung ist eindeutig: 72 Prozent halten Habecks Gasvorwurf für falsch, nur 17 Prozent sind richtig (INSA am Freitag für BILD am SONNTAG). Doch damit nicht genug: Auch der Energieminister kämpft mit der Situation am Strommarkt. Habeck muss in den kommenden Tagen entweder den Atomgegnern seiner Partei erklären, warum er Deutschlands drei verbliebene Atomkraftwerke länger laufen lassen will, oder dem ganzen Land, warum er die letzten Atomkraftwerke abschaltet. jetzt, trotz Stromkrise. Auch interessant Viel schwerer wiegt der Strompreisschock. Innerhalb eines Jahres hat sich der Strompreis an der Energiebörse verzehnfacht. Den Verbrauchern drohen drastische Tariferhöhungen. Bleibt der Strompreis so hoch, müsste ein vierköpfiger Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 4.000 Kilowattstunden laut “Spiegel” allein für Strom 5.000 Euro pro Jahr bezahlen. Finanzminister Christian Lindner (43, FDP) klagt gegenüber BILD am SONNTAG: „Die Politik hat im Strommarkt einen Gewinnautopiloten geschaffen. Nach den aktuellen Regeln werden Produzenten von Solar- und Wind- oder Kohlestrom automatisch so bezahlt, als ob sie teures Gas gekauft hätten. Die Gewinne steigen um Milliarden Milliarden auf Kosten der Verbraucher.”
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Lindner will, dass die Ampel eingreift: „Die Bundesregierung muss sich mit höchster Dringlichkeit mit den Stromtarifen befassen.“ Andernfalls wird die Inflation zunehmend durch eine Stromkrise getrieben. Dazu ist Habeck grundsätzlich auch bereit. Allerdings weist der Minister darauf hin, dass die Reform des Strommarktes lange dauern wird und mit Europa abgestimmt werden muss. Als Überbrückungsmaßnahme will Habeck deshalb eine überhöhte Gewinnsteuer für Stromerzeuger einführen. Mit den so amortisierten Milliardengewinnen kann der Staat die Bürger schnell entlasten. Also wirft der Energieminister das Problem (zumindest kurzfristig) dem Finanzminister zu, denn Lindner hat die Überschreitung der Körperschaftssteuer bisher rundweg abgelehnt.
Energiesparen: Am Holstentor gehen die Lichter aus
Heute Abend wird das berühmte Holsteiner Tor (Foto) zum letzten Mal beleuchtet. Nach Angaben der Lübecker Behörden werden durch die Abschaltung ab morgen 14,1 Kilowattstunden (kWh) Strom pro Nacht eingespart. Das sind ca. 5150 kWh pro Jahr, was in etwa dem Verbrauch von zwei Haushalten mit zwei Personen entspricht.
Auch andere Attraktionen, die nicht mehr beleuchtet sind, haben dank Energiesparlampen einen eher symbolischen Beitrag. Durch den Verzicht auf die Bestrahlung von Dresdner Frauenkirche und Heidelberger Schloss werden nur etwa 8000 kWh pro Jahr eingespart.
Foto: Getty Images/imageBROKER RF
Dieser Artikel stammt von BILD am SONNTAG. Das ePaper der gesamten Ausgabe ist verfügbar hier.