Ab: 27.08.2022 18:53 Uhr                 

Heißere Sommer, feuchtere Winter: Aufgrund des rasanten Klimawandels könnten sich Tropenkrankheiten auch in Deutschland häufiger ausbreiten. Welches ist es?

Welche Tropenkrankheiten könnten in Deutschland künftig häufiger auftreten?

Infektionen durch Tropenkrankheiten sind in Deutschland insgesamt selten. Meistens sind sie auf Reisen. Ein Sonderfall ist das West-Nil-Virus. 2019 wurden die ersten Fälle von West-Nil-Fieber bekannt, bei denen sich Menschen in Deutschland angesteckt haben und nicht wie bei anderen Tropenkrankheiten im Urlaub oder am Flughafen. Laut Robert-Koch-Institut ist damit zu rechnen, dass sich das Virus hier weiter festsetzt und es zu saisonalen Infektionen kommt.

Ein Sprecher des RKI sagte, diese Tropenkrankheit sei bislang die einzige, die in Deutschland in relevantem Ausmaß aufgetreten sei. Krankheitserreger wie Malaria-Plasmodien, Dengue-, Chikungunya- oder Zika-Virus werden selbst in Südeuropa meist nur sehr sporadisch übertragen und nicht durch heimische Stechmücken in Deutschland.

Im Zusammenhang mit dem Klimawandel und einer möglichen Häufung in Deutschland seien aktuell auch Dengue-Fieber und Chikungunya-Fieber relevant, erklärt eine RKI-Sprecherin. Denn der potenzielle Überträger der Mücke Aedes albopictus, der Asiatischen Tigermücke, breitet sich zunehmend in Deutschland aus. Die Sprecherin betont, dass eine Übertragung von Dengue-Fieber und Chikungunya in Deutschland zwar theoretisch möglich, aber zum jetzigen Zeitpunkt praktisch unwahrscheinlich sei.

Laut RKI-Referenzstatistik gab es 2022 in Deutschland keine Chikungunya-Erkrankungen, dafür aber 139 Fälle von Dengue-Fieber. Beide Erkrankungen werden durch sogenannte Flaviviren verursacht und treten meist mit grippeähnlichen Symptomen auf. In schweren Fällen führt Dengue-Fieber zu inneren Blutungen und Chikungunya-Fieber zu schweren Knochen- und Gelenkproblemen, teilweise mit chronischem Verlauf.

In der jüngeren Vergangenheit gab es in Deutschland vereinzelte Fälle von „Flughafen-Malaria“. In diesen Fällen wurden Flughafenmitarbeiter, die nicht selbst ins Ausland gereist waren, von einer Mücke in Deutschland infiziert und damit infiziert.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Malaria in Deutschland noch weit verbreitet, viele infizierten sich vor allem im Rheintal. 1974 wurde sie in Europa für ausgestorben erklärt. Nach Angaben des RKI treten in Deutschland jährlich etwa 500 bis 600 Malariafälle nach Reisen auf.

Christoph Lübbert, Leiter der Abteilung Infektiologie/Tropenmedizin am Universitätsklinikum Leipzig, hält es auch bei steigenden Temperaturen in diesen Tagen für unwahrscheinlich, dass sich die endemische Malaria in Deutschland ausbreitet. In fast allen Fällen führt eine Malariainfektion zu einer fieberhaften Erkrankung: „Und wir haben ein leistungsfähiges Gesundheitssystem“, so der Tropenmediziner weiter, „irgendwann gehen die Menschen zum Arzt, werden diagnostiziert und behandelt.“

Was sind die Gründe für die Ausbreitung von Tropenkrankheiten?

Wie der Weltklimabericht gezeigt hat, schreitet die Erderwärmung noch schneller voran als erwartet. Insgesamt war das letzte Jahrzehnt etwa 1,1 Grad wärmer als der Zeitraum zwischen 1850 und 1900. Nach Schätzungen der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) ist die Temperatur in Deutschland sogar um 1,6 Grad gestiegen.

Nicht selten werden hier Überträger wie Zecken oder Mücken eingeschleppt. Wenn die klimatischen Bedingungen jedoch günstig sind, könnten sie sich hier niederlassen. Ein Beispiel ist die Hyalomma-Zecke, auch „Riesenzecke“ genannt. Diese Zeckenart wird regelmäßig durch Vogelzug nach Deutschland eingeschleppt, konnte sich hier aber noch nicht etablieren. Die Hyalomma-Zecke kann unter anderem das Krim-Kongo-Virus übertragen. Das Krim-Kongo-Fieber ähnelt normalerweise einer Grippe. Es besteht jedoch die Gefahr innerer Blutungen, die ein multiples Organversagen auslösen. Die Sterblichkeitsrate liegt bei etwa 30 Prozent.

In einer in der Zeitschrift Nature Climate Change veröffentlichten Studie identifizierten Forscher der University of Hawaii mehr als 1.000 verschiedene Möglichkeiten, wie der Klimawandel das Auftreten von Krankheiten fördern könnte.

Denn nicht nur Überträger wie Mücken oder Zecken fühlen sich in einem wärmeren Klima wohl. Auch Bakterien können sich bei warmen Temperaturen besser vermehren. Laut der Nature-Studie könnten beispielsweise auch Stürme und schwere Überschwemmungen die Kanalisation beschädigen und den Zugang zu sauberem Trinkwasser erschweren. Die Dürre könnte die Menschen auch dazu zwingen, kontaminiertes Wasser zu trinken. Dies kann die Ausbreitung verschiedener Krankheiten begünstigen.

Für wen wäre die Ausbreitung von Tropenkrankheiten besonders gefährlich?

Die Ausbreitung von Tropenkrankheiten ist laut Lübbert besonders gefährlich für Risikogruppen. Dazu zählen vor allem ältere und durch Vorerkrankungen immungeschwächte Personen. Aber auch für Kleinkinder sei beispielsweise Malaria deutlich gefährlicher als für einen kerngesunden Erwachsenen, erklärt der Oberarzt. Kleine Kinder haben ein unreifes Immunsystem, das sich noch entwickelt.

Neben der Ausbreitung von Tropenkrankheiten bringt der Klimawandel weitere Gesundheitsrisiken mit sich, die ebenfalls voneinander abhängig sein können. Laut der Nature-Studie würden beispielsweise Ernteausfälle aufgrund von Dürre zu Hungersnöten führen – das allein verursacht großes Leid und schwächt neben Hitze das Immunsystem.

Wie kann die weitere Ausbreitung von Tropenkrankheiten in Deutschland verhindert werden?

Der wohl erfolgversprechendste Weg, die weitere Ausbreitung von Tropenkrankheiten zu verhindern, ist die Bekämpfung von Stechmücken. In Deutschland gibt es dafür bereits vereinzelte Strukturen. Denn auch hier sind Mückenplagen keine Seltenheit. Damit haben vor allem die Rheinkommunen in Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz zu kämpfen. Der Gemeinschaftliche Aktionskreis Mückenplage (KABS) kümmert sich seit 1976 um die Mückenbekämpfung, insbesondere im Rhein-Neckar-Gebiet. Infolge der Maßnahmen wird die Zahl der…