27.08.2022, 19:07 Uhr

Sonst in den Umfragen angeschlagen, bekommt Finanzminister Habeck derzeit einen harten Wind ins Gesicht. Weit verbreitete öffentliche Kritik an der Gasabgabe ruft auch den SPD-Chef auf den Plan. Klingbeil wirft dem Koalitionspartner “technische Fehler” und zu viele “nette Worte” vor. SPD-Chef Lars Klingbeil kritisierte Bundesfinanzminister Robert Habeck wegen „technischer Fehler“ bei der Gasumlage. Der Grünen-Politiker habe zweifellos einen interessanten Kommunikationsstil, „und wir merken natürlich, dass das gut ankommt“, sagte Klingbeil dem Portal „Zeit Online“. Gleichzeitig mahnte er: „Am Ende zählen in der Politik nicht nur die schönen Worte, sondern die Substanz muss stimmen – das zählt.“ Es sei nun „wichtig, gemeinsam die technischen Fehler zu beseitigen, die bei der Gasabgabe aufgetreten sind“, sagte Klingbeil. Für ihn sind die Kriterien, wann ein Unternehmen Geld aus der Abgabe erhält, noch nicht verstanden. “Die Unternehmen, die in der Krise Milliarden verdient haben, können nicht noch weitere Milliarden an Steuergeldern einstreichen.” Private Haushalte und Unternehmen zahlen ab Oktober den Zuschlag von 2,4 Cent pro Kilowattstunde, die Mehrwertsteuer auf den Gasverbrauch sinkt auf 7 Prozent. Das Geld soll Unternehmen entlasten, die wegen reduzierter Lieferungen aus Russland teures Erdgas woanders einkaufen müssen, um ihre Verträge zu erfüllen. Damit sollen Insolvenzen und Lieferausfälle von Unternehmen verhindert werden. Von der Abgabe profitieren nach den aktuellen Regelungen auch Unternehmen, die in anderen Wirtschaftszweigen nicht in finanzielle Schwierigkeiten oder gar hohe Gewinne geraten. Das sorgte auch innerhalb des Ampelbündnisses für massive Kritik. Deshalb will Habeck seine bisherigen Pläne zur Abgabe überdenken.

Der Abgabenbegriff „grundsätzlich richtig“

Das arbeitgeberorientierte Institut der deutschen Wirtschaft (IW) prüft mögliche Verbesserungen.  Die Politik müsse “die Kriterien für die Geltendmachung von Ausgleichszahlungen schärfen und die finanzielle Lage der Unternehmen und deren Systemrelevanz stärker berücksichtigen”, sagten die IW-Energieexperten Andreas Fischer und Malte Küper dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).  „Dass Unternehmen mit der Abgabe nach derzeitiger Auslegung auch Unterstützung dafür einfordern können, dass sie möglicherweise nicht selbst in finanzielle Schwierigkeiten geraten, stellt sich als Konstruktionsfehler heraus – das muss verbessert werden“, forderten die Experten.  Die Idee einer solidarischen Umverteilung der Mehrkosten der Erdgaslieferung durch eine Umlage ist jedoch grundsätzlich sinnvoll.

Der Spitzenverband der Energiewirtschaft (BDEW) verteidigte die Erhöhung, setzte sich aber auch für Änderungen ein. „Der beste Weg wäre, Gasimportunternehmen mit Bundesmitteln oder durch Bürgschaften zu unterstützen“, sagte BDEW-Chefin Kerstin Andreae dem RND. Allerdings hat die Bundesregierung den Umlageweg gewählt, der die Lasten breiter verteilt. Der energiepolitische Abgeordnete der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse, forderte eine Reduzierung der Gaslast für angeschlagene Unternehmen. Er schlug dafür einen schrittweisen Testprozess vor. „Die bekannt gewordenen Mängel bei der Planung der Gasumlage müssen schnellstmöglich behoben werden“, sagte er der Rheinischen Post.

Hofreiter: Direkte Förderung für Unternehmen statt Umlage

Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter forderte die vollständige Abschaffung der Erdgasabgabe.  „Die einfachste Lösung wäre zu sagen, wir verzichten auf die Gasabgabe, wir verzichten auf die Mehrwertsteuersenkung und wir helfen den betroffenen Unternehmen direkt“, sagte er gegenüber RND.  Bei „ntv Frühstart“ hatte Hofreiter bereits am Freitag gesagt, dass die Gasumlage in ihrer jetzigen Form ein Fehler sei: „Die Gasumlage muss so geändert werden, dass Unternehmen, die riesige Gewinne machen, einfach nicht davon profitieren. Das ist es nicht.“ ansteckend.”  Es sei eine Stärke von Demokratien, Entscheidungen korrigieren zu können: “Weil Fehler passieren und offensichtlich ein Fehler passiert ist.”

Der Chef der CSU-Landesgruppe, Alexander Dobridt, sprach im Bayerischen Rundfunk von einem „Beitragsdesaster“. „Gleichzeitig Rekordgewinne für Unternehmen und Rekordbelastungen für Bürger zu verursachen“, sei „eine unmögliche Praxis und muss gestoppt werden“, sagte er. Auch der Deutsche Mieterbund will die Umlage „fallen lassen“. „Denn wir gehen davon aus, dass die Mehrwertsteuersenkung die Belastung durch die Umlage nicht vollständig kompensieren wird“, sagte Bayerns Mediengruppenvorsitzender Lucas Siebenkoten. Der Präsident des RWI-Leibniz-Instituts, Christoph Schmidt, nannte die Zuteilung “unzureichend zielgerichtet”. Besser sei es, die wenigen Unternehmen mit großen Schwierigkeiten gezielt zu unterstützen – mit Umlagen oder Steuergeldern, sagte er der “Rheinischen Post”.