In der Nähe der Pipeline Nord Stream 1 fackelt Russland große Mengen Erdgas ab, das offenbar für den Export nach Deutschland bestimmt ist. Von Finnland aus ist eine riesige Flamme zu sehen. Experten sprechen von einer Umweltkatastrophe.
Russland fackelt derzeit offenbar große Mengen Erdgas in der Nähe der Ostseepipeline Nord Stream 1 ab, die derzeit knapp ist. Wie der britische Fernsehsender BBC berichtet, ist seit mehreren Wochen eine ungewöhnlich große Flamme aus dem benachbarten Finnland zu sehen, die in Portovaya nordwestlich von St. Petersburg brennt. Auch auf Satellitenbildern ist sie gut zu erkennen.
Der deutsche Botschafter in London, Michael Berger, sagte der BBC, die Explosion sei schon seit einiger Zeit bemerkt worden. Der starke Rückgang des deutschen Gasverbrauchs aus russischen Lieferungen zeigt offensichtlich Wirkung. Kamen vor Kriegsbeginn in der Ukraine mehr als 50 Prozent aus Russland, sind es jetzt nur noch rund zehn Prozent. “Weil sie ihr Gas nirgendwo anders verkaufen können, müssen sie es verbrennen”, sagte Berger.
verbrennt täglich Erdgas im Wert von zehn Millionen Euro
Bei den abgefackelten Mengen soll es sich um Gas handeln, das ursprünglich für den Export nach Deutschland bestimmt war. Bei Portovaya gibt es eine Kompressionsstation – hier beginnt die Pipeline Nord Stream 1 zur Ostsee. Auch der russische Energiekonzern Gazprom hat dort eine neue Anlage zur Herstellung von verflüssigtem Erdgas (LNG) gebaut.
Fackelgas während der Verarbeitung ist keine Seltenheit. Experten waren jedoch von den riesigen Mengen überrascht. Auch wenn die genauen Dimensionen der Rauchgasmengen schwer zu beziffern sind, geht die Energiewirtschaftsagentur Rystad davon aus, dass in Portovaya täglich rund 4,34 Millionen Kubikmeter Gas rauchen. Das ist Erdgas im Wert von rund zehn Millionen Euro pro Tag. Rystad schätzt die Gasmenge, die in die Atmosphäre geblasen wird, auf etwa 0,5 Prozent des täglichen Bedarfs der EU.Die Industrieagentur bezeichnete das Abfackeln solch großer Mengen Erdgas als Umweltkatastrophe. Täglich würden etwa 9.000 Tonnen CO2 freigesetzt.
„Umweltproblem insbesondere für die Nordpolregion“
Esa Vakkilainen, Expertin der LUT-Universität in Lappeenranta, sprach von einem großen Umweltproblem „insbesondere für die Nordpolregion“. Der dort freigesetzte Ruß wird sich auf die Erderwärmung auswirken.
„Ich habe noch nie gesehen, dass eine LNG-Anlage so stark aufgeflammt ist“, sagte Jessica McCarty, Expertin für Satellitendaten an der Universität von Miami, gegenüber der BBC. Das riesige Feuer ist seit etwa Juni auf Bildern zu sehen. “Es ging einfach nicht weg. Es blieb so ungewöhnlich lange.” Auch Schwierigkeiten bei der Produktion von verflüssigtem Erdgas in Portovaya könnten ein Grund für das Abfackeln sein.
Gazprom unterbricht erneut Lieferungen
Nach russischen Angaben ist die Gaspipeline Nord Stream 1 derzeit nur zu 20 % in Betrieb. Damit werden täglich rund 33 Millionen Kubikmeter Erdgas über die Ostsee nach Deutschland transportiert. Russland begründet die Erdrosselung mit technischen Schwierigkeiten, die die Bundesregierung für eine Farce hält. Die Folge der Verknappung war ein weiterer massiver Anstieg der Gaspreise im europäischen Handel.
Darüber hinaus kündigte Russland an, die Gaslieferungen über Nord Stream 1 ab dem 31. August erneut für drei Tage einzustellen. Die letzte verbleibende Turbine der Verdichterstation Portovaya wird dann vor Ort von Siemens-Experten gewartet.
China als Kunde?
Gazprom wollte sich auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters nicht zu der Gasexplosion äußern. Marktbeobachter spekulieren, dass eine weitere Reduzierung der russischen Gaslieferungen oder sogar ein kompletter Shutdown die Preise weiter steigen lassen würden.
Deutschland bezieht mittlerweile den größten Teil seines Erdgases aus Norwegen. Auch weitere LNG-Lieferungen, etwa aus den USA, sollen die Abhängigkeit von russischem Gas weiter reduzieren. Inzwischen hat Russland bereits eine Vereinbarung mit China über zusätzliche Erdgaslieferungen in das asiatische Land getroffen. Allerdings hat es der Kreml nicht leicht, schnell andere Abnehmer für sein Erdgas zu finden. „Aktuell haben noch nicht alle Felder in Russland eine direkte Pipeline-Verbindung nach China“, sagte Energieexperte Dominik Möst im Frühjahr gegenüber tagesschau.de. Vorherige Leitungen sind besetzt.