Levit ist ein präziser Analytiker, und als solcher schafft er in Liszts Sonate erstmals eine Ordnung, die derzeit wohl niemand so rigoros nachahmt, aber auch in einer solchen Balance aus charmantem Zugriff und filigraner Linie. Das erste Thema, das so oft vorkommt, ist tatsächlich nie dasselbe – Levit sucht und findet für jede dieser Variationen seine eigene Nuance. Konzert Igor Levit Salzburger Festspiele Insgesamt überzeugte seine Darbietung das Publikum auch mit ihren hervorragenden stimmlichen Qualitäten. Ein ausgeprägtes Liszt-Erlebnis, entwickelt aus dem Vorspiel zu „Tristan“ in einer Klavierfassung von Zoltán Kocsis. Nichts geht verloren, im Gegenteil: Das harmonische Nirvana des legendären Akkords wird in der rohen Klavierform noch greifbarer. Dieses Vorspiel als großes Auf und Ab, für das Igor Levit einige Entsprechungen in Liszts Sonate findet. Als er die Sonate „Lento assai“ fast zu zögernd ausklingen lässt, wünscht er sich fast ein Da Capo, damit der Tristan-Akkord wieder abrunden kann. „80 Minuten Wagner, 2 Minuten Liszt“, knurrte ein älterer Besucher beim Aussteigen. Er meinte es kritisch, aber er war sich wahrscheinlich der Sache bewusst. Ungewöhnliche Werkzusammenstellung vor der Pause: Unter dem Titel „Im Freien“ veröffentlichte Béla Bartók Mitte der 1920er-Jahre fünf Stücke für Klavier, vordergründig idyllische Charakterstücke, in Wirklichkeit aber eine pianistische Befreiung von aller Romantik. Danach präsentierte sich Levitt in Schumanns Waldszenen als emotional beherrschter Dichter.